Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU Baden-Württemberg

(2016 bis 2021)

Am 2. Mai 2016 haben Grüne und CDU in Baden-Württemberg den Koalitionsvertrag für die kommende Legislaturperiode (2016 bis 2021) vorgestellt. Der CDU-Parteitag hat am 6. Mai, der Parteitag der Grünen am 7. Mai dem Koalitionsvertrag zugestimmt.

Im Wahlkampf hatten die Grünen für die Fortführung der grün-roten Koalition und die CDU für ein schwarz-gelbes Bündnis gekämpft. Die grün-schwarze Koalition sei "nicht unser erklärtes Ziel" gewesen, heißt es in der Präambel des Koalitionsvertrages. "Die Wählerinnen und Wähler haben uns durch ihr Votum aufgefordert, einen neuen Weg zu gehen."

Der Koalitionsvertrag stellt einen Kompromiss zwischen den Vorstellungen der beteiligten Parteien dar. Weder Grüne noch CDU haben alle ihre Forderungen durchsetzen können. Beide Parteien haben aber eigene Schwerpunkte verankert. Wenn die beiden Parteitage dem Koalitionsvertrag zustimmen, kann die erste grün-schwarze Landesregierung, die es in Deutschland je gab, gebildet werden. Der neue baden-württembergische Landtag konstituiert sich am 11. Mai 2016. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann soll voraussichtlich am 12. Mai wiedergewählt und vereidigt werden.

Im folgenden haben wir die wichtigsten Inhalte nach Themengebiet zusammengestellt.

Nach anhaltenden Diskussionen haben Grüne und CDU die umstrittenen Nebenabreden am 18. Juli 2016 veröffentlicht. In dem Papier sind Vorhaben im Umfang von zusammen zwei Milliarden Euro aufgeführt, die Grüne und CDU in dieser Legislaturperiode vorrangig umsetzen wollen. Ebenso werden mögliche Einsparinstrumente benannt. (Nebenabreden zum grün-schwarzen Koalitionsvertrag)

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Bildungspolitik

Wer wird Kultusminister/in? 

Susanne Eisenmann  (CDU), bisherige Schulbürgermeisterin in Stuttgart, wird Kultusministerin.

Was sind die wichtigsten Beschlüsse? 

Bildungspolitik ist ein besonders wichtige - und auch besonders umstrittene Aufgabe von Landespolitik.

Gemeinschaftsschulen

Die bereits bestehenden Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg (momentan sind es etwa 300) sollen bestehen bleiben. Auch die Gründung weiterer Gemeinschaftsschulen soll möglich sein. Bislang kann man an den bestehenden Gemeinschaftsschulen nur den Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife ablegen, nicht aber das Abitur. In der kommenden Legislaturperiode können maximal zehn Gemeinschaftsschulen in ganz Baden-Württemberg eine gymnasiale Oberstufe einrichten. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Schulen in der Oberstufe mindestens 60 Schüler/innen je Jahrgang haben. Die meisten Gemeinschaftsschulen erfüllen diese Voraussetzung sowieso nicht. Absolvent/innen dieser Gemeinschaftsschulen können jedoch auf berufliche Gymnasien wechseln und dort das Abitur erwerben.

Kindergartenbesuch

Das letzte Kindergartenjahr vor der Schule wird zwar nicht kostenlos. Eltern erhalten aber ein Jahr lang einen monatlichen Zuschuss von 75 Euro, wenn sie ihr Kind in der Kindergarten schicken. Dieser Beitrag dürfte in der Regel nicht alle Gebühren abdecken. Wie viel die Eltern noch dazuzahlen müssen, hängt von ihrer finanziellen Situation, ihrem Wohnort und der wöchentlichen Betreuungszeit ab.

Betreuungsgeld

Eltern, die ihre Kleinkinder (1 bis 3 Jahre) nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung betreuen lassen, werden kein Betreuungsgeld erhalten. Zur Erkärung: die CDU hatte im Wahlkampf mit einem Betreuungsgeld auf Landesebene geworben, wie es in ähnlicher Form in Bayern existiert.

Grundschule

Kleine Grundschulen will die Koalition „nach Möglichkeit erhalten“. Grundschüler sollen jeweils zwei Stunden Deutsch und Mathematik zusätzlich erhalten. So sollen die Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen gestärkt werden.

Grundschulempfehlung

Die Grundschulempfehlung soll in BW wieder eine größere Rolle spielen. Sie wird zwar nicht wieder verpflichtend, aber sie muss an der weiterführenden Schule auf jeden Fall vorgelegt werden. Wenn die Empfehlung von der Entscheidung der Eltern abweicht, wird es ein Beratungsgespräch geben.

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Innenpolitik

Wer wird Innenminister? 

Thomas Strobl, CDU-Landesvorsitzender, wird stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister.

Die wichtigsten Themen

Polizei

In der kommenden Legislaturperiode sollen bei der Polizei 1.500 neue Stellen geschaffen werden. Weil es gar nicht so viele ausgebildeten Polizisten gibt, sollen teilweise bereits aktive Polizisten vom Verwaltungsdienst entlastet werden. In die technische Ausrüstung der Polizei sollen 100 Millionen Euro investiert werden. 15 Millionen Euro sollen in den aktiven Polizeidienst investiert werden.

Die Kennzeichnungspflicht für Polizisten wird nicht eingeführt - die Befürworter hatten argumentiert, dass individuelle Kennzeichen die Identifizierung von Polizisten bei möglichen Übergriffen erleichtern würden. Gegner der Kennzeichnungspflicht sagen hingegen, dass diese Polizisten unter einen Generalverdacht stellen würde. Um Konflikte zu dokumentieren, sollen Polizisten künftig kleine Kameras ("Body-Cams") am Körper tragen können.

Freiwilliger Polizeidienst

In baden-Württemberg gibt es zur Zeit etwa 800 Freiwillige, die Polizeiaufgaben erfüllen - beispielsweise beim Streifendienst oder bei Großveranstaltungen. Zu diesen Anlässen tragen sie Uniform und Waffe und sind somit von Berufspolizisten nicht zu unterscheiden. Die grün-rote Landesregierung hatte beschlossen, den freiwilligen Polizeidienst auslaufen zu lassen; die grün-schwarze Koalition will jetzt auf Wunsch der CDU "eine neue Grundlage" für deren Einsatz schaffen. Selbst organisierte Bürgerwehren, die das staatliche Gewaltmonopol aushöhlen, will Grün-Schwarz nicht akzeptieren.

Vorratsdatenspeicherung

In Fällen schwerer Kriminalität und für die präventive Kriminalitätsbekämpfung sollen in Baden-Württemberg künftig Telekommunikationsdaten erhoben werden können. Zum Hintergrund: seit Dezember 2015 gilt in Deutschland auf Bundesebene ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung (Quelle). Die Regelungen müssen aber teilweise noch in Landesrecht umgesetzt werden, wofür beispielsweise das Polizeigesetz geändert werden muss.

Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag heißt es, dass eine solche Änderung vorstellbar sei, wenn das Bundesverfassungsgericht keinen Einsprich gegen das neue Bundesgesetz einlege. In diesem Fall könnten Telekommunikationsdaten auch präventiv erhoben oder überwacht werden. Außerdem sei zu überlegen, ob auch die Landespolizei und das Landesamt für Verfassungsschutz "zum Zweck der Terrorismusbekämpfung" Zugriff auf bestimmte Daten erhalten soll, heißt es im Vertrag.

Reform des Landtagswahlrechts

Damit der Landtag die "baden-württembergische Gesellschaft künftig in ihrer ganzen Breite besser abbildet", wollen Grüne und CDU ein "personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste" einführen. Verbände wie der Landesfrauenrat hatten eine solche Änderung schon seit Langem gefordert, weil sie sich durch die Landeslisten eine stärkere Vertretung von Frauen im Landtag erhoffen. Aktuell ist Baden-Württemberg neben dem Saarland das einzige Bundesland, in dem Wähler/innen bei Landtagswahlen nur eine Stimme haben. (Übersicht)

Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit

Städte und Gemeinden sollen zukünftig Zonen ausweisen dürfen, in denen kein Alkohol in der Öffentlichkeit getrunken werden darf. Damit soll die Kriminalität an problematischen Plätzen bekämpft werden. Zum Hintergrund: Freiburg hatte 2008 in seinem Kneipenviertel ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen erlassen. Dieses Verbot wurde jedoch vom Verwaltungsgerichtshof gekippt.

Andererseits heißt es im Koalitionsvertrag, dass das 2010 eingeführte Verkaufsverbot für Alkohol zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens in Supermärkten, an Kiosken und Tankstellen wieder aufgehoben wird. Das nächtliche Alkoholverkaufsverbot hatte dazu geführt, dass die Zahl der Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwar nicht abnahm, aber langsamer anstieg als in anderen Bundesländern. (Quelle)

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Integrationspolitik

Wer trägt die Verantwortung?

Das 2011 eingerichtete, eigenständige Integrationsministerium wird aufgelöst. Die Zuständigkeit für Integrationspolitik wird zukünftig beim Sozialministerium liegen.

Die wichtigsten Themen

Sachleistungskarte

Zukünftig sollen Flüchtinge in Erstaufnahmeeinrichtungen kein Bargeld mehr erhalten, um ihren persönlichen Bedarf zu decken, sondern eine Sachleistungskarte. Diese soll monatlich aufgeladen werden können, ihre Nutzung soll räumlich begrenzt werden.Die Sachleistungskarte stellt einen Kompromiss zwischen den Positionen von Grünen und CDU dar: die Grünen hatten sich für eine Bargeldauszahlung eingesetzt, die CDU für Sachleistungen.

Gesundheitskarte

Die Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge, mit denen diese medizinische Leistungen in Anspruch nehmen können, wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Die Grünen hatten sich für eine Gesundheitskarte eingesetzt. Die CDU war dagegen, weil sie zusätzliche Anreize für Asylbewerber/innen befürchtete, nach Deutschland zu kommen. Momentan können Flüchtlinge Gesundheitsleistungen nur auf Antrag und vor allem in Notfällen in Anspruch nehmen.

Burkaverbot

Das Tragen einer Vollverschleierung in der Öffentlichkeit wird nicht verboten. Im Vorfeld wollte die CDU ein Verbot durchsetzen, die Grünen sprachen sich dagegen aus. Allerdings findet man im Koalitionsvertrag den Satz "Vollverschleierungen, die die Identität der Frau nicht erkennen lassen, widersprechen einer offenen Gesellschaft. In Baden-Württemberg sollen sich alle offen ins Gesicht sehen können."

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Finanzpolitik

Wer wird Ministerin?

Edith Sitzmann, bislang Fraktionschefin der Grünen im Landtag, wird Finanzministerin.

Die wichtigsten Themen

Einsparungen

Ab 2020 dürfen die deutschen Bundesländer keine Schulden mehr machen. Grüne und CDU wollen deshalb 1,8 Milliarden Euro im Jahr einsparen - allerdings soll diese jährliche Einsparungssumme erst bis 2020 erreicht werden. Im Jahr 2016 sollen die Gesamtausgaben des Landeshaushaltes 46,8 Milliarden Euro betragen, bis 2020 müssen also etwa vier Prozent der Ausgaben eingespart werden. Die Schuldenbremse soll auch in der Landesverfassung verankert werden.

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Verkehrspolitik

Wer ist verantwortlich?

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur bleibt weiterhin unter grüner Führung: Winfried Hermann (Grüne) wird eine weitere Amtszeit das Verkehrsministerium leiten.

Verkehrsinfrastruktur

Mit rund 165 Millionen Euro soll die kommunale Verkehrsinfrastruktur gefördert werden. Dabei entfallen 15 Millionen auf den Ausbau von Radwegen, jeweils 75 Millionen auf die Bereiche kommunaler Straßenbau und ÖPNV. Die Koaltion unterstützt zudem den Bundesverkehrswegeplan 2030 und will alle dafür vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel zum Bau und der Sanierung von Bundesfernstraßen nutzen. Die Finanzierung zum Erhalt von Landesstraßen soll unabhängig von Haushaltsjahren in einem Gesamtpaket beschlossen werden.

Förderung des öffentlichen Nahverkehrs

Ein eigener Arbeitskreis Verkehr hat sich bereits zusammengefunden und eine "Zukunftsoffensive öffentlicher Verkehr" entworfen. Darin ist geplant, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bis 2030 deutlich zu erhöhen. Ein 30 Millionen Euro schweres Sonderprogramm ist zum Kauf von Straßen- und Stadtbahnwagen vorgesehen.

Bahnhofsprojekt Stuttgart 21

Die Volksabstimmung aus dem Jahr 2011 bleibt für die Koaltitionpartner bindend, bei dem die Mehrheit der Wähler/innen für eine finanzielle Beteiligung des Landes Baden-Württemberg bei dem Stuttgarter Bahnhofsprojekt gestimmt hatte. Die Grünen hatten sich im Vorfeld der Volksabstimmung gegen Stuttgart 21 ausgesprochen, die CDU dafür. Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag heißt es, das Bauprojekt solle "planmäßig und zügig" umgesetzt werden. Klar definiert ist allerdings, dass die geplanten Kostenanteile des Landes von 930,6 Millionen Euro nicht aufgestockt werden.

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Digitalisierung

Wer ist verantwortlich?

Die Aufgabe der Digitalisierung will die künftige Landesregierung ressortübergreifend angehen. Insgesamt sind dafür über 325 Millionen Euro vorgesehen.

Die wichtigsten Themen

Breitbandausbau

Geplant ist, eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet zu gewährleisten: überall im Land sollen Bandbreiten von mindestens 50 Megabit je Sekunde bereitstehen. Der Schwerpunkt soll dabei auf dem Glasfaserausbau liegen. Zudem soll geprüft werden, wie lückenloses Internet für unterwegs umgesetzt werden kann: auch auf Bahnstrecken und Autobahnen soll man in Baden-Württemberg zukünftig online gehen können. 

Allianz Wirtschaft 4.0

Auch im Bereich der Wirtschaft soll Baden-Württemberg digital vorangebracht werden. So ist das Ziel, die bisherige Allianz Industrie 4.0 zu einer Allianz Wirtschaft 4.0 weiterzuentwickeln, die Branchen in der digitalen Weiterentwicklung fördern und Start-ups vernetzen soll. In der Digitalisierung sieht die Koalition auch die Chance, eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft umzusetzen, die durch eine besser Vernetzung möglich werden soll.

Digital lernen
Die Landesregierung sieht vor,  die Medienbildung mit entsprechenden Standards an Schulen, wie etwa digitalen Unterrichtsmedien und Arbeit in der Bildungscloud, zu fördern. Zudem soll eine Zusammenarbeit zwischen Betrieben, Universitäten und Politik gestärkt werden.

Datenschutz
Das Amt des Landesbeauftragten für Datenschutz soll neu besetzt und finanziell besser ausgestattet werden. Der langjährige Amtsinhaber Jörg Klingbeil geht nämlich in den Ruhestand, ein möglicher Nachfolger steht bislang nicht fest. Die grün-schwarze Koalition will auch, dass Verstöße gegen den Datenschutz im Wettbewerb künftig einfacher abgemahnt werden können.

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